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Nach drei Generationen schließt das letzte Lebensmittelgeschäft auf dem Hagen

Noch stehen Obst und Gemüsekisten vor dem kleinen Geschäft in der Pyrmonter Straße 23. An sechs Tagen in der Woche können die Kunden von Uwe Schmidt aus dem 1500 Einwohner Ortsteil Hagen Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs einkaufen. Doch am 31. Dezember ist Schluss, sagt Schmidt. Es lohne schon lange nicht mehr. Die Umsätze sind in den letzten Jahren kontinuierlich weniger geworden. Wenn die Kunden kommen, dann hauptsächlich wegen Kleinigkeiten. Die Entfernungen zu den großen Geschäften ist ja auch nicht weit. „Was sind denn heute drei Kilometer zum nächsten Laden“, stellt der Geschäftsmann für sich fest. Und daher sei die Reaktion der Kunden auf die Ankündigung der Schließung auch eher verhalten. Wegen der hohen Energiekosten müsste jetzt neu investiert werden in neue Kühltechnik. Das rechnet sich nicht. Selbst bei den Lieferanten wird es zunehmend schwieriger. Die kleineren Anbieter, die es früher einmal gab, wie den Schlachter aus Steinheim, die haben alle mangels Nachfolge aufgegeben. Bei der Rewe Gruppe sei er zwar seit langem gut aufgehoben gewesen, aber er habe es bei der Belieferung als einer der ganz kleinen Geschäfte schon gemerkt, da fällt dann auch schon mal eine Lieferung aus, wenn es eng wird. Hinzu kommt aber auch das Alter, so Schmidt. Mit 64 Jahren ist es auch Zeit einen Teil seines Betriebes aufzugeben. Denn den gut funktionierenden Party-Service und sein neu gepachtetes Cafe im Pyrmonter Schloss werden Uwe Schmidt und seine Frau weiter machen. Gerade das Cafe sei eine Herzensangelegenheit. Immer hat das Ehepaar gesagt, wenn wir mit dem Lebensmittelhandel aufhören, dann können wir uns mehr um das Cafe kümmern. Da haben die Schmidts in der Zukunft noch viel vor. „Wir wollen das Schloss weiter beleben auch mit Veranstaltungen“. Und im Dezember gibt es erneut den Adventsmarkt. Der sei im letzten Jahr sehr gut angenommen worden.

„Natürlich gibt es auch ein weinendes Auge“, so Uwe Schmidt. Lebensmittel zu verkaufen habe ihm auch Spaß gemacht. Seit 48 Jahren hat er den Lebensmittelhandel auf dem Hagen geführt. Zeitweise sogar mit zwei Läden. Das Haus ist sein Elternhaus und schon der Großvater Hermann Schmidt sen. hat das Unternehmen 1930 gegründet. Die Lebensmittel wurden damals noch lose verkauft. Überall waren Schubladen. Egal ob Mehl oder Zucker. Alles wurde einzeln abgewogen und kam in die Tüte. Selbst eingelegte Salzheringe lagerten im Fass im Keller. Das Fass habe er später noch selbst entsorgt. Damals umfasste das Sortiment auch Spielsachen oder Ofenrohre. Im Schaufenster war einmal eine große Eisenbahn ausgestellt, von der ein alter Kunde erzählt hat. Diese Eisenbahn habe der Kunde dann als Junge zu Weihnachten bekommen. Wie eingebunden der Laden in den Ort war, zeigt auch das Kaufverhalten zu jener Zeit. Selbst während der Weihnachtsbescherung kam ein Kunde vorbei und wollte noch ein Ofenrohr kaufen. Und so ist der Vater auf den Boden gegangen und hat das Ofenrohr verkauft. „So  war das einfach“. Die Leute kamen Samstags wie Sonntags, wenn die Milch ausgegangen war. Die klingelten auch am späten Abend noch. „Das war ganz egal“. 

In dem Geschäft war früher auch eine Lottoannahmestelle und eine Poststelle untergebracht. Seine Frau, erinnert sich Uwe Schmidt, war noch halbtags bei der Post angestellt. Selbst Dienstleistungen einer Postbank wurden mit angeboten. Mit den Jahren wurden die Leistungen von Post und Lotto gestrichen, weil der Umsatz zu gering war. 

1988 hatten die Schmidts das Geschäft vom Vater übernommen. „Das war irgendwie vorbestimmt“. Auch seine Frau hatte Einzelhandelskauffrau gelernt. Bereut hat Uwe Schmidt die Entscheidung nie. Sein Vater hatte das Geschäft um den heutigen Laden vergrößert und später noch die Wohnung der Schmidts oben auf den Laden gebaut. Als die Eltern 1996 ins eigene Haus nach Pyrmont gegangen sind, ist er zusammen mit seiner Frau dann über den Laden eingezogen. 

Mit seinem Party-Service hat Schmidt sein Geschäft sehr erfolgreich erweitert. So konnte er später  dann auch den Laden unterstützen. Außerdem beliefert Schmidt seit Jahren die Kliniken mit Getränken. Das will er auch in Zukunft noch weiter machen.

Der Entschluss des Zeitpunktes zur Aufgabe des Geschäfts erfolgte dann mit dem Wegzug einer Mitarbeiterin, die das Cafe betreut hat. „Als das klar war haben wir gesagt , so lange machen wir den Laden noch und dann ist da Schluss“. 

Einen potentiellen Nachfolger für den Lebensmittelladen hat Schmidt nie gesucht. „Erstens würde ich keinen Nachfolger finden,“ da ist sich Schmidt definitiv sicher, und zweitens braucht er den Laden in Zukunft für seinen Party-Service. Alles was jetzt noch irgendwo im Haus gelagert werde, soll in Zukunft dort zusammengezogen werden. Der ehemalige Laden ist dann Lager und wird zur Vorbereitung für das Catering genutzt. Ihre Angestellten werden ebenfalls bleiben. Sie haben schon in den letzten Jahren auch im Party-Service mitgearbeitet, sonst wäre es gar nicht gegangen. 

Langeweile werden die Schmidts also auch in Zukunft keine haben. 

Selbst für Hobbys ist in all den Jahren noch Zeit geblieben. Seine Frau betreibe regelmäßig Sport und er selbst hat die Musik. Uwe Schmidt spielt Tenorhorn im Hagener Spielmannszug. Das ist ihm wichtig. Und wenn es einen Auftritt gibt, dann darf der Chef auch mal im Geschäft fehlen. Am 30. Dezember, einem Samstag, wird Uwe Schmidt dann seinen Lebensmittelladen abschließen. Vorher wird er mit seinen Kunden aber noch auf eine lange Geschäftsbeziehung anstoßen. Damit geht auf dem Hagen ein letztes Geschäft in der dritten Generation vom Netz. Da wo einst einmal vier Lebensmittelgeschäfte am Ort waren, ist nun, wie in vielen anderen Orten auch, das Ende des  „Handels um die Ecke“ besiegelt. Für Uwe Schmidt geht eine Ära zu Ende. „Es wird mir sicherlich schwer fallen“. Bei allem Engagement aber ist er froh, dass jetzt ein Schlussstrich gesetzt ist.

In seinem Abschiedsbrief an die Kundschaft heißt es: „Wir bedanken uns bei unseren Kunden für die langjährige Treue und würden uns freuen, Sie weiterhin mit unserem Party-Service und im Kaffeehaus im Schloss zu bewirten.“

Fotos: Privat

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