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Mehr Lust als Frust – Herausforderungen für die heimische Wirtschaft

Krisenmodus war das Wort des Jahres 2023, so die Gesellschaft für deutsche Sprache. Klimawandel, Krieg, Schulden. 

Doch in Bad Pyrmont sei die Krise nicht angekommen, sagt Petra Kuhn, Regionaldirektorin der Volksbank Hameln-Stadthagen. Die Unternehmen in der Region seien  durchweg zufrieden gewesen. 2024 werde dagegen eine Herausforderung. Es fehle das Vertrauen in die Politik. Die fehlende Verlässlichkeit z.B. bei Energiegesetzen oder der E-Auto Prämie führe zu Verunsicherung bei den Konsumenten. Geschäftsinhaber könnten da vorwiegend mit alten Werten punkten: das der Kunde das Gefühl hat, hier bin ich willkommen. Auch als Bank sind wir Dienstleister und sorgen mit dafür, dass es der Region gut geht. So beauftragen wir z.B. regionale Handwerker, halten Mitarbeiter zum Kauf in der Region an und haben rund 60.000 Euro an Spenden und Sponsorengeldern in unserem Wirkungsbereich ausgeschüttet. Im letzten Jahr hatten wir auch ein erhöhtes Kreditwachstum für die Region. Und wir haben zwei Mitarbeiter qualifiziert, sich im Förderdschungel zurechtzufinden um Kunden beraten zu können. Daher zeigt der Daumen fürs neue Jahr auch nach oben, so Petra Kuhn.

Das wollte ich genauer wissen und habe unterschiedliche Betriebe besucht und befragt.

Es gibt wohl nur wenige kleine Bahnhöfe, die noch über eine funktionierende Gastronomie verfügen. Auf der Bahnlinie zwischen Paderborn und Hannover wurde in Lügde das Bahnhofsgebäude vor sieben Jahren weitestgehend in seinen Originalzustand versetzt und dient heute als Gastronomie und Veranstaltungsraum. Und das Konzept funktioniert, sagt der Bad Pyrmonter Unternehmer Michael Simon. Er könnte sogar mehr machen, wenn er denn ausreichend Personal hätte. Ideen hat der Unternehmer ausreichend, aber ohne Personal geht das nicht. So weist bereits außen am Gebäude ein Schild auf die Personalsuche hin. Wir müssen immer mehr Veranstaltungen deswegen absagen. Aktuell gehe es um das Aufrechterhalten des Betriebs. Als ich das Cafe zur Mittagszeit besuche, ist es fast voll belegt. Viele nutzen das Cafe Tender für die Pause und den Mittagstisch. Reibekuchen mit Rübenkraut wird als Tagesgericht neben weiteren Speisen angeboten, wie bei Muttern zuhause. Personalnotstand hat Simon auch in seinem eigentlichen Unternehmen Simon Bauelemente. In Bad Pyrmont Thal und in Hameln betreibt er einen Handel und Montage für Bauelemente. Von Türen über Sonnenschutz bis hin zu Wintergärten bietet er alles aus einer Hand an. Personalbedingt haben wir aber das Volumen bereits runtergefahren, sagt Simon. So sei die Aussicht für den Umsatz im aktuellen Jahr auch eher stagnierend. 

Die Auftragslage sei eigentlich noch gut. Die Hausbesitzer müssten ihre Immobilien alleine wegen der Energieeinsparungen sanieren. Da brauchen sie unter anderem auch Rollläden. Und auch im öffentlichen Raum werde noch gebaut. Lediglich Luxusartikelüberdachungen oder ganze Wintergärten seien weniger geworden. Auf der eigenen Homepage wirbt Simon für mehr Mitarbeiter. Die Arbeitsbedingungen seien gegenüber früher verbessert worden. Heute gebe es mehr Hilfsmittel, damit schwere Lasten nicht mehr von den Monteuren allein getragen werden müssten. Eine vier Tage Woche einzuführen könnte sich Simon dagegen nicht vorstellen. Wir müssen jetzt schon 10 Stunden am Tag arbeiten, um die Arbeit zu schaffen. 

Tagtägliche Lust hat Andrea Tepe aus Bad Pyrmont sogar in ihrem Firmennamen stehen. Genuss und Lust, so der Name ihres Geschäftes in der Brunnenstraße. Die umtriebige Unternehmerin vertreibt nicht nur Feinkost, sondern bietet auch Freitags Veranstaltungen an, bei denen sie Speisen zubereitet, die aus ihrem Sortiment stammen. So können wir die Feinkost an den Gaumen unserer Gäste transportieren. Das letzte Jahr sei zwar nicht so gut gelaufen, aufgeben ist für Andrea Tepe aber keine Option. Sie gestaltet ihr Geschäft komplett um, schafft gemütliche Ecken, erfindet sich immer wieder neu, und blickt so mit Zuversicht ins laufende Jahr. Das Weihnachtsgeschäft im letzten Jahr sei auch versöhnlicher gelaufen, da habe sie auch ein bisschen Umsatz aufholen können. Natürlich sind ihre Produkte auch Luxusartikel, an denen unter Umständen in unsicheren Zeiten auch gespart werde. 

Wahrscheinlich sei es aber auch die aktuelle Unsicherheit in der Bevölkerung, die die Menschen vorsichtiger agieren lässt. Ihre Kundschaft kommt vorwiegend aus dem Ort selbst, aber auch der eine oder andere Kurgast schaut immer mal wieder rein. Einen online Shop betreibt Tepe nicht, auch wenn sie weiß, dass ihre Artikel auch im Internet vertrieben werden. Sie setzt ganz auf den persönlichen Kontakt und ihre Veranstaltungen. Veranstaltungen seien grundsätzlich wichtig für die Geschäfte der Innenstadt. Daher engagiert sie sich in der Werbegemeinschaft. Geht es nach ihr, müsste die Fußgängerzone noch attraktiver werden, z.B. mit öffentlichen Ladestationen für Handys. Und das Miteinander könnte noch weiter verbessert werden.

Auf meinem Weg durch die Stadt gehe ich weiter ans Ende der Brunnenstrasse. Dort, wo die Humboldtstrasse abbiegt, treffe ich Janyna Rohde in ihrem Sporthaus. Heute hat sie ein wenig Zeit, um mit mir zu sprechen. Es ist ein eher trüber Vormittag und nur wenig Kundschaft unterwegs. Bis zum letzten Quartal sei das Geschäft in 2023 gut gelaufen. Doch danach stagnierte es. Da waren weniger Leute unterwegs und folglich wurde weniger gekauft. Ein Weihnachtsgeschäft gebe es zudem in der Sportartikelbranche nicht mehr. Eher zieht der Verkauf im Januar wieder an. Auch für das laufende Jahr hat Janyna Rohde nur wenig Hoffnung, dass der Trend sich großartig umkehrt. Allerdings stelle sie fest, dass wieder mehr Service gesucht werde. Den könne sie im Sporthaus Rohde liefern, schließlich ist Janyna Rohde selbst aktive Sportlerin. 

Mein Hauptberuf ist Trainerin, das Geschäft sei Hobby, fügt sie wohl mit zwinkerndem Auge hinzu. Der Onlineshop auf ihrer Seite sei daher eher mit einer normalen Homepage vergleichbar. Ihr Geschäft hat sie spezialisiert. Keine Artikel für Teamsportarten mehr, keine Ladenhüter. In ihrem Geschäft gibt es alltägliche Kleidung fürs Fitnessstudio und für den Rehasport. Sie führt Outdoorbekleidung fürs Wandern und Biken, ganzjährig Bademode und Kleidung für Yoga. Zugeschnitten auf ihre Klientel die Klinikbesucher. Die seien ihre Hauptkunden. Ihr zweites Standbein sind ihre Kurse. Yoga, Power Nordic Walking oder auch Personal Training. Großartige Verbesserungsmöglichkeiten sieht sie nicht. Jeder kleine Einzelhändler gebe bereits 100 % Einsatz. Und so sagt sie auch von sich selbst, ich werde aus diesen kleinen Schwächen, die wir vielleicht gerade haben, oder die kommen, immer das Beste daraus machen. Und von daher glaube ich, dass ich eine Optimistin bin.

Einen Satz, den auch Astrid Jörg blind unterschreiben würde. Seit 37 Jahren führt sie ihr Unternehmen Bellino Moden in der Hauptallee. Ihr letztes Jahr sei sehr gut gelaufen. In erster Linie verkaufe sie an eine Stammkundschaft vor allem außerhalb der Kurstadt. Von Bad Pyrmont allein könne sie nicht leben. Ihr Sortiment und ihre Beratung ist wohl auch bei der Kundschaft der ortsansässigen Buchinger Klinik gefragt. Und ihre Erfahrung ist, sobald die Stimmungslage schlechter wird, habe sie oftmals die teuersten Sachen verkauft. Da werde dann zwar weniger mitgenommen, dafür werde eher nach dem Guten gesucht. Für ihre Stadt und den Handel hat sich Astrid Jörg immer wieder eingesetzt. Sei es als langjährige Vorsitzende der Theatercompanie oder auch als Mahnerin. Ihr Motto, Bad Pyrmont ist schön, nur in der Stadt selbst habe man das manchmal aus dem Blickwinkel verloren. Zu häufig würden die Negativ Informationen in den Vordergrund gestellt. Wenn Astrid Jörg dagegen Ware verschickt, dann legt sie immer auch einen Prospekt oder einen Veranstaltungshinweis mit ins Paket. Stets versucht sie für die Stadt zu werben. Auch wenn sie von den Veranstaltungen in der Stadt, wie dem Bauern- oder Frühlingsmarkt nicht selbst profitiert, sie seien wichtig. Denn wenn eine Veranstaltung begeistere, dann kehren die Besucher vielleicht auch wieder einmal zurück. Verbessert werden könne immer mal wieder die Sauberkeit oder auch die Anpflanzungen. 

Jetzt im Winter müssten auch mal die defekten Glühmittel in den Bäumen ausgewechselt werden. Es sind oft die Kleinigkeiten, die ihr auffallen. Aber sie macht vor den großen Themen nicht halt. Sie ist sich sicher, das Land will das Konzerthaus aus Kostengründen los werden. Daher könnte sie sich einen Privatinvestor vorstellen, der das Haus übernimmt. Ein Investor, dem der Fortbestand am Herzen liege, und der die Chancen des Hauses für Messen, Veranstaltungen und Tagungen erkenne. Das Haus gehöre in die Hand eines Liebhabers. Sie selbst habe auch schon mal Interessierte angesprochen. Das sei aber im Sande verlaufen. Da müssten Stadt und Land gemeinsam auf die Suche und Werbetour gehen. Und Astrid Jörg outet sich als Verfechterin eines Marktes in der Fußgängerzone. Eine eigene Umfrage habe ergeben, dass die meisten Händler das begrüßen würden. Sie selbst hofft auf eine Sanierung der Immobilie, in dem ihr Geschäft untergebracht ist. Da sei sie mit dem Vermieter im Gespräch. Und hier sieht sie auch Bedarf für weitere sanierungsbedürftige Häuser in der Kurstadt. Astrid Jörg ist nach wie vor voller Tatendrang, und sie will auch weiter machen, auch wenn sie das Alter hätte, um mehr auf Reisen zu gehen, wie sie zufügt.

Nicht für alle Unternehmungen läuft es derzeitig aber optimal. Jennifer Wieneke ist Inhaberin des Autohauses Huddelbusch mit angeschlossener Tankstelle. Seit geraumer Zeit hat sie eine Großbaustelle vor ihrem Unternehmen. Daher sieht es derzeit nicht so rosig aus. Wir sind stadtauswärts abgeschnitten. Ein ewiges Problem für Anlieger von großen Baustellen. Wie man das besser managen könnte, weiß sie letztendlich auch nicht. Als Ratsmitglied weiß sie aber, dass solche Baustellen notwendig sind. Und die Verwaltung im Rathaus sei bemüht. Für den Getränkemarkt und die anderen Geschäfte wurden provisorische Zufahrten errichtet. 

Jennifer Wieneke vereint Handwerk, Handel und Dienstleistung unter einem Dach. Neben dem Autohaus liegt auch ihr Getränkehandel mit angeschlossener Poststation. Zusätzlich hat sie eine Fahrradreparatur mit Verleih und einen Gravurenshop. Sie ist in ihren Unternehmungen breit aufgestellt. Das sei auch notwendig. Doch sie merkt auch, dass die Kunden wegen der unsicheren Zeiten aktuell ihr Geld mehr zusammen halten. Immerhin habe sie ein gutes Team für ihre Unternehmungen, auch wenn sie bei meinem Besuch selbst im Getränkehandel einspringen muss. Die extreme Grippewelle mache schon mal Probleme. Bis zum Sommer wird die Großbaustelle wohl noch dauern. Solange muss sie durchhalten. Da gehe es auch ein bisschen ums Überleben.

Auf meinem Weg durch die Betriebe in der Kurstadt ist meine nächste Station die private Physiotherapie Praxis von Heiko Begemann. Begemann hat einst in der m&i Fachklinik und der angeschlossenen Schule für Physiotherapie gearbeitet. Später hat er sich mit eigener Praxis selbstständig gemacht, ist aber auch in der Praxis seiner Frau angestellt. Die Praxis ist gut ausgebucht, sagt er. Obwohl es mehr Praxen für Physiotherapie als anderswo gibt, bleibt offenbar genug für alle zu tun. 2 bis 3 Wochen Wartezeit müssen Patienten aufbringen. Das sei aber im Vergleich zu Wartezeiten etwa in Großstädten wenig. Da betrage die Wartezeit oft 2 bis 3 Monate. Begemann geht es gut. 

Ich sehe keinen Grund irgendwie zu jammern und zu klagen. Problematisch sieht er allerdings den Fachkräftemangel. Die damalige Entscheidung, die Schule in der m&i Klinik zu schließen, hält er auch heute noch für falsch. Wenn die Babyboomer in Rente gehen, werden Therapeuten fehlen, ist er sich sicher. Auch er selbst geht auf die 60 zu. Politik habe in seinem Berufsstand aber auch viel falsch gemacht und Entscheidungen immer wieder vor sich hergeschoben. Gefordert wurde eine Hochschulausbildung für einen Teil der Physiotherapeuten, um stets auf dem neuesten Level zu bleiben und die Wirksamkeit wissenschaftlich immer wieder zu bekräftigen. Allerdings verdienen die neuen Fachkräfte jetzt genau soviel wie die nicht studierten Kräfte. Die politische Entwicklung verfolgt Begemann auch in seiner Heimatstadt. Auch hier würden Entscheidungen nicht immer gemeinsam entwickelt. Die Streichung des ÖPNV Angebotes aus der Kurkarte hält er für falsch. Denn andererseits wolle die Stadt den privaten Autoverkehr im Rahmen des Klimawandels aus der Stadt herausbringen. Das passe nicht zusammen. Insgesamt wünscht sich Begemann mehr Zusammenarbeit. 

Er selber sei aber optimistisch und übe seinen Beruf gerne aus. In jungen Jahren habe ihm sein Arzt einmal gesagt, er solle sich einen Beruf suchen, in dem er gleichzeitig sitzen, stehen und liegen könne. Auf die Frage, was das denn für ein Beruf sein solle, hatte der Arzt keine Antwort. Heiko Begemann hat ihn aber offensichtlich gefunden.

Ihren Beruf gefunden hat auch Ines Weber. Sie betreibt in vierter Generation das Modehaus Spilker in Lügde. Das Modehaus in der Vorderen Straße präsentiert Damen, Herren- und Kindermode auf zwei Etagen. Sie lebe von der Stammkundschaft, sagt Ines Weber. Laufkundschaft gebe es in Lügde kaum. Es gebe heute einfach zu wenig Geschäfte in Lügde. Da wünschte sie sich eine Initiative auch von der Politik. Fantastisch wäre es natürlich, wenn einer der großen Drogisten nach Lügde käme. Das Internet ist natürlich auch für das Modehaus ein Konkurrent. Trotzdem vertraut sie darauf, dass es ihren Kunden auch auf die fachkundige Beratung ankomme. Man solle sich aber nicht auf andere verlassen, sagt Ines Weber. Wir müssen sehen, dass wir selber klar kommen. Gemeinsame Veranstaltungen würden mit dem Stadtmarketing vereinbart und beworben. Darüber hinaus gebe es eigene Aktionen wie z.B. Rabattverkäufe. Für das laufende Jahr erwartet sie eher ein wenig Kaufzurückhaltung, denn es herrsche bei den Kunden Unsicherheit. Insgesamt bräuchte es wieder mehr positive Gedanken. Ines Weber schaut aber nach vorne. Die ersten Frühjahresartikel sind bereits im Geschäft, auch wenn das Wetter derzeit noch nicht sommerlich ist.

Mit dem Lügder Modehaus habe ich meinen Rundgang durch die Geschäftswelt in Bad Pyrmont und Lügde abgeschlossen. Auch wenn die wirtschaftliche Lage nicht überall immer nur positiv ist, die Geschäftsleute sind aktiv. Den Kopf in den Sand stecken gibt es nicht. Und so ist die Grundstimmung doch eher Lust, auch wenn ein wenig Frust immer mal dabei ist.

Fotos: Privat / ACM

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